Das Schlimmste, was man sich und der Welt antun kann,
ist die Gleichgültigkeit gegenüber den politischen Verhältnissen.

Stéphane Hessel

(1917–2013)

Widerstandskämpfer, Überlebender des KZ Buchenwald, Mitverfasser der UN-Charta der Menschenrechte, Publizist

Thüringer Bündnisse, Initiativen und Netzwerke gegen Rechts

Zivilgesellschaft stärken – Verfassungsschutz abschaffen

Madeleine Henfling und Harald Zeil, SprecherInnen der Thüringer Bündnisse, Initiativen und Netzwerke gegen Rechts erklären nach der heutigen* Anhörung im Innenausschuss des Thüringer Landtages zum Verfassungsschutzgesetz: „Erneut ist deutlich geworden, dass Nazismus, Rassismus und jegliche andere Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit nicht durch einen im Geheimen agierenden Verfassungsschutz sondern nur durch eine starke Zivilgesellschaft bekämpft werden können.“

Die Thüringer Bürgerbündnisse waren als Sachverständige im Innenausschuss geladen und hatten sich u.a. dazu geäußert, dass die auf der Extremismusdoktrin basierende Arbeitsweise des Verfassungsschutzes nicht geeignet sei, um die Komplexität der Bedrohung unseres demokratischen Gemeinwesens durch Neonazis und Rassisten und deren menschenverachtende Ideologien und Handlungen zu erfassen.

„Wenn man nicht auf einen Verfassungsschutz verzichten will, so sollte dieser zumindest keinerlei nachrichtendienstliche Mittel einsetzen dürfen, weil eine starke Zivilgesellschaft nicht unbefangen agieren kann, wenn sie davon ausgehen muss, bespitzelt zu werden“, meint Harald Zeil

„Enttäuscht hat uns, dass trotz aller Erkenntnisse rund um den NSU-Komplex und die Verstrickungen seiner V-Leute nicht einmal dieses unsägliche V-Leute-System ernsthaft in Frage gestellt wird“, empört sich Madeleine Henfling. Gemessen an den Taten des NSU und den Verwicklungen des Thüringer Verfassungsschutzes in den Aufbau der Neonazi-Szene hätte es Thüringen gut angestanden, ein klares Zeichen zu senden: Wenn schon keine Abschaffung, dann wenigstens eine eindeutige Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten des Verfassungsschutzes und insbesondere der Verzicht auf nachrichtendienstliche Mittel.

Mit dem Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit, Projekten wie MOBIT, EZRA und dem Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC), dem Thüringen-Monitor und der Landeszentrale für politische Bildung und vor allem einer wachen und engagierten Zivilgesellschaft verfügt Thüringen über ausgezeichnete Möglichkeiten, um jegliche gegen die Unantastbarkeit der Würde jedes einzelnen Menschen gerichtete Bestrebungen schon im Vorfeld zu erkennen und wirksam zu bekämpfen. Für die Verfolgung auf menschenverachtenden Ideologien basierender Straftaten haben Polizei und Justiz einen klar geregelten gesetzlichen Auftrag. Ein geheimdienstlich arbeitender Verfassungsschutz hat auf diesem Gebiet keinerlei Daseinsberechtigung, sind die VertreterInnen der Bürgerbündnisse überzeugt. Henfling und Zeil hoffen, dass die Abgeordneten die heute formulierte Kritik aus der engagierten Zivilgesellschaft überdenken und die Gesetzesvorlagen entsprechend überarbeiten werden.

* Die Anhörung fand am 16. Mai 2014 statt.