Mehr Demokratie wagen.

Willy Brandt (SPD)

(1913–1992)

Widerstandskämpfer,

Bundeskanzler 1969–1974,

SPD-Vorsitzender 1964–1987

Thüringer Bündnisse, Initiativen und Netzwerke gegen Rechts

Nein zu einem „Verfassungsschutz light“!

Thüringer Bündnisse, Initiativen und Netzwerke gegen Rechts üben grundsätzliche Kritik an der von der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzesnovelle zum Thüringer Verfassungsschutz.

Am gestrigen Mittwoch folgten einige Engagierte der Bu?rgerbu?ndnisvernetzung der Einladung von Dirk Adams (MdL, Bündnis 90/Die Grünen) zur Vorstellung und Diskussion der Verfassungsschutz-Gesetzesnovelle.

Der Ansatz, mit einer eigenen Novelle zum Verfassungsschutz die Umsetzung der Ideen von Innenminister Geibert zu verhindern, erscheint legitim, ebenso wie die Begründung, dass der derzeitige Zustand dringend verbessert werden muss. Dennoch konnte die prinzipielle Kritik am Gesetzentwurf der Grünen nicht ausgeräumt werden. Zeitpunkt und Inhalt der eingebrachten Verfassungsschutz-Gesetzesnovelle gehen an der in Thüringen dringend notwendigen Auseinandersetzung über die gesamte Sicherheitsarchitektur vorbei. Während der NSU-Untersuchungsausschuss noch tagt und wichtige Fragen rund um die Entwicklung und Selbstenttarnung des NSU und vor allem die Frage nach seiner tatkräftigen Unterstützung durch staatliche Stellen, insbesondere den Verfassungsschutz, weitgehend ungeklärt sind, verbietet sich jeder Versuch, einen Teil der Sicherheitsorgane umzugestalten, ohne das gesamte Wirken im Auge zu haben.

„Das Handeln insbesondere des Thüringer Verfassungsschutzes im Umgang mit rechtsradikalen und rechtsterroristischen Gewalttätern ist nicht mit Pleiten, Pech und Pannen zu verniedlichen, sondern ist nur als bewusste Sabotage demokratischen Engagements einzustufen. Sagt man nicht überhaupt nein zu einem Thüringer Verfassungsschutzgesetz, weil es an der politischen Realität vorbeigeht und nicht durchsetzbar ist, so verschenkt dieser Entwurf die Option, Bürgerrechte und demokratischen Prozess wirksam zu schützen“, sind die Vertreter_innen der Bürgerbündnisse überzeugt.

Es bedarf nach Abschluss des NSU-Ausschusses einer intensiven gesellschaftlichen Diskussion über eine umfassende Neugestaltung der gesamten Sicherheitsarchitektur; ein geheimdienstlich arbeitender Verfassungsschutz hat darin nach Meinung der Bürgerbündnisse keinen Platz und gerade in Thüringen jegliche Legitimation verloren.

„Mit der vorliegenden Novelle wäre noch nicht einmal ein Ausstieg aus dem V-Leute-Unwesen gesichert. Hier wird ein Spagat zwischen vordergründiger Transparenz und Kontrolle und geheimdienstlicher Arbeit versucht, der bei genauen Hinsehen immer wieder scheitert“, betont Dr. Bernd Stoppe. Ein transparenter Verfassungsschutz ist ein Widerspruch in sich, das sollte allen Beteiligten klar sein.

„Es ist sicher ein Fortschritt, dass nun endlich die geheimdienstliche Überwachung alter Stasi-Strukturen formal beendet werden soll, von einer den Bürgerrechten verpflichteten Partei wie den Grünen hätte ich mir 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges eine klare Absage an einen geheimdienstlich arbeitenden Verfassungsschutz erwartet, der auch noch auf der Grundlage der völlig unhaltbaren Extremismusdoktrin arbeitet“, ärgert sich Harald Zeil.

„Ein ,Verfassungsschutz light‘ ist letztlich nicht weniger problematisch als der bestehende Dienst“, meint Torsten Zern. „Ihm auch noch die Möglichkeit zu geben, wissenschaftliche Expertisen in Auftrag zu geben, erscheint nur noch zynisch.“

Wir brauchen einen zuverlässigen und nachhaltigen Schutz unserer Verfassung in ihrem Kern: Artikel 1 – Die Würde des Menschen ist unantastbar. „Dies kann am besten eine wache und vielfältige Zivilgesellschaft unterstützt von einem unabhängig und wissenschaftlich arbeitenden Dokumentations- und Informationszentrum“, sind sich die Bürgerbündnisvertreter_innen einig.