Der Mensch besitzt eine Würde, wodurch er allen anderen vernünftigen Weltwesen Achtung für ihn abnötigt.

Immanuel Kant

(1724–1804)

Philosoph

Thüringer Bündnisse, Initiativen und Netzwerke gegen Rechts

„Döner“-Morde und Soko „Bosporus“

In diesem Land konnte eine aus dem Thüringer Neonazimilieu sich entwicklende rechtsterroristische Gruppierung eine rassistische Mordserie in Gang setzen, ohne dass die Sicherheitsbehörden einen Zusammenhang mit der rechten Szene herstellten. Polizeiliche Ermittler, die in dieser Richtung Szenarien entwickelte, wurden schnell marginalisiert.

Stattdessen wurden die Familienangehörigen unter Verdacht gestellt, die Mordtaten innerhalb der Migranten-Community verortet. Begriffe wie „Döner-Morde“ und polizeiliche Namensgebungen wie „Sonderkommission Bosporus“ zeugen von einem spezifischen Blick auf die Gesellschaft. Die Mordserie wurde aus der Mitte der deutschen Gesellschaft gewissermaßen ausgelagert. Die wirklichen Täter konnten so systematisch nicht in den Blick geraten. Im Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses heißt es: „Jahrelang wurde das Motiv für die Taten im Opferumfeld gesucht … – nur ein möglicher rassistischer Hintergrund als Motiv wurde zu lange nicht in Erwägung gezogen und nie mit dem nötigen Nachdruck verfolgt“. Auch Medien bedienten sich dieser Klischeebilder. Diese Erfahrung von Fehlermittlungen und gleichzeitigem Generalverdacht gegenüber den Opferfamilien hat das Sicherheits- und Zugehörigkeitsgefühl vieler Menschen mit Migrationshintergrund verändert. Eine neue Untersuchung zeigt: Die große Mehrheit der türkischen Community hat nur ein geringes Vertrauen in die Aufklärung der NSU-Morde durch Untersuchungsausschüsse und Gerichte. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie von endax, die das Wahlverhalten von Migranten in Deutschland erforschen.

Wie nehmen Menschen mit Migrationshintergrund die Morde des NSU wahr? Diese Frage wird in Thüringen zuwenig diskutiert. Es geht um mehr als „Pleiten, Pech und Pannen“. Die Funktionsmechanismen zentraler Institutionen der deutschen Gesellschaft müssen in den Blick genommen werden. Wie kann eine politische Agenda aussehen, die den Blick weitet auf eine interkulturelle Lernfähigkeit und Veränderung der Institutionen? Darüber wollen wir mit Mark Terkessidis diskutieren.

Mark Terkessidis ist Journalist, Autor und Migrationsforscher. Er promovierte zum Thema „Das Wissen über Rassismus in der Zweiten Migrantengeneration“. Von Mark Terkessidis ist in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung der Band „Interkultur“ erschienen. In seinem viel beachteten Beitrag „Mit Interkultur gegen Rassismus“ machte Terkessidis auf die Erfahrungen in Großbritannien im Zusammenhang mit dem Bericht von Lordrichter Macpherson über institutionellen Rassismus in der Polizei aufmerksam. Der Bericht gilt als Meilenstein in der britischen Rechtsgeschichte.

Termin: Dienstag, 24.9.2013, 19.00 Uhr, Begegnungsstätte „Kleine Synagoge“, An der Stadtmünze 4–5, Erfurt
Moderation: Peter Reif-Spirek (LZT)
Veranstalter: Eine Veranstaltung der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen mit der Vernetzung der Thüringer Bündnisse, Initiativen und Netzwerke gegen Rechts
Literatur: Mark Terkessidis, „Döner“-Morde und Soko „Bosporus“ – Alles nur Pannen ohne Ende? Die NSU-Morde und die Frage der institutionellen Diskriminierung
Kontakt: Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Regierungsstraße 73, 99084 Erfurt, Telefon: (0361) 3792710, Fax: (0361) 3792702, www.lzt-thueringen.de
Ausschlussklausel: Entsprechend § 6 Abs.1 Versammlungsgesetz sind Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, von der Veranstaltung ausgeschlossen.